Sozialarbeit – Zielgerichtete Interaktionen mit hoher Involviertheit

Sozialarbeiter/-innen sind in Interaktion mit Klientinnen/Klienten bzw. stellen diese mit ihnen gemeinsam her. Dabei können sich dysfunktionale Interaktionsmuster abspielen, die von beiden Akteur/-innen produziert werden aber auch verändert werden können. Professionistinnen/Professionisten haben die Aufgabe Störfaktoren zu erkennen und zu bearbeiten:

  • Z.B.: Eine Vielzahl von Informationen die durch den/die Klient/-in produziert werden. Dadurch wird es schwierig auf das Thema zu fokussieren. Berater/-in werden von der Fülle „erschlagen“.
  • Z.B.: Eigene Werte, Bedürfnisse und Vorlieben. Dadurch fokussiert der/die Berater/-in auf ihre/seine eigenen Themen, jedoch nicht die des/der Klientin/Klienten.

Um an die Bearbeitung zu gehen sollte sich der/die Sozialarbeiter/-in folgende Fragen stellen:

  • Wo sehe ich Wiederholungen an Verhaltensmustern?
  • Wie schaukeln sich bestimmte Handlungen auf? Wie geschieht dieses aufschaukeln?
  • Welche Interaktionsspiele werden gespielt?
  • Gibt es Verhaltensweisen, die Vorhersehbar sind für mich als Berater/-in? (vgl. Milowiz 2009: 107f).

Milowiz, Walter (2009): Teufelskreis und Lebensweg. Systemisch denken im sozialen Feld.

Aus meinem Selbstverständnis als Supervisor & Coach

Was kann ich als Supervisor & Coach beitragen mit meinen Interventionen (die natürlich alleine schon durch meine Anwesenheit setze), Angeboten, Methoden u.dgl., um zu Veränderungen von Haltungen & Handlungen bei den Coachee/s bzw. Supervisandinnen/Supervisanden beizutragen, die wieder Wirkung haben auf Ziele & Lösungen.

D.h., angemessene Irritationen zu kreiren, die mich als Supervisor & Coach im Prozess halten – die anschlussfähig sind zu den Auftraggeber/-innen und zu den Coachees.

REZENSION | Schlüsselwerke des Konstruktivismus

Der Titel „Schlüsselwerke des Konstruktivismus“ lässt einiges für den/die Leser/-in erhoffen, birgt aber auch vielleicht die Gefahr in sich, dass das Schloss bzw. die Schlösser für den/die Schlüssel fehlen könnten …

Schlüssel-Erfahrungen machen, Schlüssiges verstehen und verinnerlichen, das Thema öffnen sowie Gedanken- und Erfahrungsräume durchschreiten. Dazu könnte dieses Buch beitragen, wenn es darum geht, den Konstruktivismus in den verschiedensten Facetten zu ent-schlüsseln.

Eine der Schlüsselaussagen des konstruktivistischen Diskurses von Humberto R. Maturana „Alles, was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt“, klingt zwar auf den ersten Blick sehr plausibel und „eh-klar“, jedoch hat dies auf die Beratungspraxis bei konsequenter Haltung und Umsetzung eine weitreichende Wirkung bezüglich der Methodik, der Interaktionen usw.

Daher benötigt der/die Leser/-in m.E. so etwas Vorerfahrungen zu diesem Themenfeld in Form von Grundlagen systemischer bzw. konstruktivistischer Theorien, Methoden und Praxis, um Anschlussfähigkeit für die Inhalte herzustellen. Dann kann das Buch auch wirklich Freude bereiten und zu einer verständlichen Vertiefung beitragen.

Das Buch bietet, ausgehend von den zentralen Bezugstheorien der Philosophie- und Geistesgeschichte, die Entwicklung der unterschiedlichen Theorien der Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften (z.B. Soziale Arbeit, Organisation und Management) sowie Hinweise auf konkrete Anwendungen in unterschiedlichen Arbeitsfeldern.

Durch diese Vielfalt der Themen und der Zugänge werden auch die Varianten des Konstruktivismus mit den jeweiligen Begründungen aufgezeigt und Schlüssel zu unterschiedlichen Branchen und Bereichen (z.B. Pädagogik, Medienarbeit, Soziale Arbeit) angeboten. Die kompakten Artikel lassen ein stückweises Erschließen nach Interessen und Neigungen zu. Es werden also mehrere Schlüssel angeboten, die unabhängig von einander kombiniert und ausprobiert werden können.

Im ersten Abschnitt „Vorläufer und Bezugstheorien“ werden sieben Werke – bekanntere wie beispielsweise jene von Immanuel Kant, aber auch unbekannte wie das von Ludwik Fleck mit dem Titel „Evolution des Erkennens. Rainer Egloff über Luwik Flecks Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache“ – vorgestellt. Der 1896 in Lemberg (Polen) geboren Fleck war in der Zwischenkriegszeit und im zweiten Weltkrieg als Mediziner tätig und forschte erfolgreich im Bereich Bakteriologie. Das Labor war sozusagen sein Arbeitplatz. Bemerkenswert ist jedoch, dass er sich neben seinen Forschungen auch über die Entstehen von wissenschaftlichen Tatsachen auseinandersetzte. Dabei hat er die Begriffe des Denkstils und des Denkkollektivs geprägt, die er beschreibt als „… kollektive Erfahrungen …“ (mentale, mentalitätsmäßige und sozialer Institutionaliserung und ein „… gerichtetes Wahrnehmen mit gedanklichen und sachlichen Verarbeiten des Wahrgenommenen …“ (Fleck, Ludwik)

Der zweite Teil bietet siebzehn Beiträge unter der Rubrik „Grundlagen und Konzepte“. Behandelt werden Klassiker und Standardwerke wie Paul Watzlawicks „Wie wirklich ist die Wirklichkeit“ (Fritz B. Simon) oder Maturanas und Varelas „Der Baum der Erkenntnis“ (Karl H. Müller) bis hin zu Niklas Luhmanns „Erkenntnis als Konstruktion“ (Christoph Reinfandt).

Im abschließenden dritten Abschnitt wird Anwendung und Nutzbarmachung konstruktivistischer Ansätze in unterschiedlichen Feldern diskutiert und sehr praktisch aufgezeigt. Dadurch wird es möglich, Einblicke in auch fremde Branchen zu erhalten.

Heiko Kleve etwa hat sich mit Konstruktivismus in der Sozialen Arbeit auseinandergesetzt und in seinem Beitrag mit dem Titel „Vom Erweitern der Möglichkeiten“ folgende berufspolitische Identitätsperspektive entwickelt: „Identität könnte grundsätzlich als ein Konstrukt verstanden werden, das – zumindest in der Sozialen Arbeit – von Kontext zu Kontext immer wieder neu geklärt und erschaffen werden müsse. Was Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter demnach lernen müssten, wäre nicht die Fixierung einer festen und dauerhaften Selbstbeschreibung, sondern das flexible Arrangieren von situativ und kontextuell abhängigen Identitätskonstrukten.“ (Kleve, Heiko)

Gerade in der Berufsdiskussion von Sozialarbeiter/-innen ist dieser Beitrag ein  erfrischender Zugang zu einer professionellen Multi-Identität, die zu einer Entkrampfung beiträgt und Sozialarbeit als eine Profession positioniert, die immer wieder neu mit der passenden Identität interveniert, um an Themen/Zielen/Veränderungen von Gesellschaft zu arbeiten.

Rudolf Wimmer hat sich mit seinem Artikel, der systemisch-konstruktivistische Organisationsberatung gewidmet, die er als dritte Form neben der Fach- und Prozessberatung positioniert. Das dabei angewandte systemtheoretische Organisationsverständnis der Berater/-innen arbeitet mit den Sinndimensionen (sachlich, zeitlich und sozial), um Interventionen im Rahmen des Beratungsprozesses zu setzten die mithelfen die Führungsfähigkeit zu stärken/stabilisieren. In einer Zeit von ungeheurer Dynamik und vielfältigen Kommunikationsmitteln sowie Netzwerken eine wirkliche Herausforderung. Führung also „… ein Moment in einem sich selbst organisierenden, hochkomplexen Sozialsystem …? (Wimmer, Rudolf)

Diese unterschiedlichen Fundierungen und auch Einsatzfelder des Konstruktivismus zeigen jedoch eine gemeinsame tragfähige Basis. Es geht um Umorientierungen – das Verstehen, dass Konstruktionsprozesse die Wirklichkeiten erzeugen und hervorbringen. Um solche Konstruktionsprozesse erfahrbar zu machen sind beispielsweise Wie-Fragen eine sehr hilfreiche Form. Die Orientierung, dass der/die Beobachter/-in auch konstruiert trägt dazu bei, dies als Ressourcen zu nutzen. Er/Sie kann also Unterscheidungen und Bezeichnungen einbringen. Der Abschied von absoluten Wahrheitsvorstellungen – es geht also um Hinweise, nicht um Beweise – schafft kreativ neue „Wirklichkeiten“. So ist auch der Konstruktivismus ist nur eine Konstruktion von Wirklichkeit!

Dem konstruktivistischen Denken steht also die Lockerheit gut. Das führt auch dazu, dass Tendenzen zu „Schulenbindung“ (auch wenn der Konstruktivismus eine Meta-Theorie bzw. eine Epistemologie darstellt) immer wieder irritiert werden und Offenheit bleibt – so wie das Buch der Schlüsselwerke des Konstruktivismus eine sehr offen Sammlung an Zugängen und Werken sowie Praxen darstellt.

Dieses Buch ist m.E. allen Beraterinnen/Beratern und Interessierten zu empfehlen, die bereits über Grundlagenwissen zu konstruktivistischem Denken verfügen und neue Perspektiven für sich eröffnen möchten.

Aber Achtung: Das Ergebnis dieses Artikels ist auch nur eine Eigenkonstruktion – es könnte bei Ihnen auch ganz anders ausfallen …

Pörksen, Bernhard (Hrsg.) (2011):  Schlüsselwerke des Konstruktivismus.
Artikel erschienen in: BASYS. Berichte des Arbeitskreises für Systemische Sozialarbeit, Beratung und Supervision. http://www.asys.ac.at

Effectuation

Der Beginn unternehmerischen Tätig seins ist oftmals verbunden mit hoher Ungewissheit und Komplexität. Kausalitäten und Gewissheit nehmen erst im Laufe der Zeit zu. Das Konzept Effectuation wurde von der modernen Entrepreneur-Forschung entwickelt und zeigt, wie Unternehmer/-innen bei Ungewissheit Entscheidungen treffen können. (vgl. Faschingbauer 2010: 34f)

Das Konzept orientiert sich an folgenden Prinzipien

  • Prinzip der Mittelorientierung (z.B. Werte, Wissen, Netzwerke)
  • Prinzip des leistbaren Verlusts (z.B. Geld, materielle Güter, Zeit, Ideen, Entscheidungsspielräume)
  • Prinzip der Umstände und Zufälle (Nutzen von Unerwartetem)
  • Prinzip der Vereinbarungen und Partnerschaften (Kontrakte, Kooperationswege). (vgl. Faschingbauer 35- 96)

Faschingbauer, Michael (2017): Effectuation. Wie erfolgreiche Unternehmer denken, entscheiden und handeln.

REZENSION | Teufelskreis und Lebensweg. Systemisch denken im sozialen Feld

Zuerst zu den sicht- und spürbaren Veränderungen der Neuauflage gegenüber der ersten Ausgabe:

  • farbige Gestaltung der Titelseite,
  • ansprechende und übersichtlichere typografische Gestaltung,
  • Leser/innenfreundliche und stringentere inhaltliche Gliederung
  • ein Drittel an Dicke gewonnen durch das haptisch angenehmere Papier, die Typografie und den optimierten Inhalt

Also eine bedeutende Überarbeitung und Weiterentwicklung ganz im Sinne des/der Lesers/Leserin.

Das Wiener Modell der systemischen Sozialarbeit, deren führender Protagonist und Entwickler Milowiz ist, basiert auf dem konstruktivistischen Ansatz und der Systemtheorie. Darauf wurde eine Theorie für die Soziale Arbeit bzw. Sozialarbeit entwickelt, die die Interaktion von Sozialarbeiter/in und Klient/in in den Vordergrund rückt.

„Es geht darum, in einen Teufelskreis machbare Änderungen einzuführen, die weitere Änderungen zur Folge haben. Und machbar sind natürlich zunächst solche Änderungen, die man selbst machen kann …“ (Milowiz 2009: 4)

Dabei zeigt sich, dass Sozialarbeiter/innen durch ihre Haltungen und Einstellungen, Fragetechniken und Lösungsorientierungen gegenüber dem/der Klientin/Klienten nicht „Wunderwuzzi“ sein werden, jedoch Veränderungen und Entwicklungen Schritt für Schritt aus dem Teufelskreis gemacht werden können. Da der/die Sozialarbeiter/in einen gesellschaftlichen Auftrag inne hat (als Repräsentant/in der „übrigen Gesellschaft“), steht diese/r auch als „System-Vertreter/-in“ für den Konflikt zur Verfügung. Eine Verhaltensänderung des/der Sozialarbeiters/Sozialarbeiterin verändert somit auch den Konflikt gegenüber der „übrigen Gesellschaft“. Dadurch eröffnen Verhaltens-/Kommuniations-/Interaktionsänderungen im System Klient/-in – Sozialarbeiter/-in neue Beziehungsmöglichkeiten zwischen Klient/-in und der „übrigen Gesellschaft“. Die/der Klient/-in erarbeitet sich dadurch Problemlösungen, die von ihm/ihr auch in anderen Beziehungen angewendet werden.

Lebendige Beispiele aus der beruflichen Praxis – sechs an der Zahl – in den unterschiedlichsten Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit schaffen eine gute Verbindung zur Theorie und machen Lust auf’s Versuchen und Umsetzen von der „Entteufelung von Regelkreisen“ zwischen Klient/-in und Sozialarbeiter/-in.

Das Buch ist allen Berater/innen und Professionisten/Professionisten der Sozialen Arbeit zu empfehlen, die in der Arbeit mit Ratsuchenden / Klientinnen/Klienten / Kunden Lösungen auf einer „tieferen Ebene“ erarbeiten wollen, die eine neue Sichtweise ihrer beruflichen Praxis entwickeln, und Fälle auf der Interaktionsebene reflektieren möchten.

Auf einer Skalierung von 1 – 10: 9 praxis- mit theorieverknüpfte und für die Soziale Arbeit interessante Leseempfehlungspunkte.

Milowiz, Walter (2009): Teufelskreis und Lebensweg. Systemisch denken im sozialen Feld.

Artikel erschienen in: BASYS. Berichte des Arbeitskreises für Systemische Sozialarbeit, Beratung und Supervision. http://www.asys.ac.at